Tutorial
Vorproduktion
Wieso sollte mann einen Film ohne Musik schneiden?
Grundsätzlich ist es besser, einen Film ohne bestehende Musik zu schneiden. Dafür gibt es mehrere Gründe: Jeder Film besitzt sein eigenes Tempo und seinen eigenen Atem. Diese lassen sich am besten herausfinden, wenn der Filmcutter und der Regisseur solange an einem Rohschnitt arbeiten, bis der Film eine eigene Spannung und Tiefe ganz ohne Musik gewonnen hat. Wirkt der Film weiterhin emotions- oder gar belanglos, dann stimmt meistens mit dem Schnitt etwas nicht. Zwar kann der Soundtrack helfen, um Ungereimtheiten auszubügeln, aber er entfaltet dann meistens nicht seine volle Wirkung.
Ein weiteres Problem kann entstehen, wenn Sie verschiedene Musikstücke sammeln und mit diesen den Schnitt gestalten. Das deshalb, weil alle Musikstücke ihren eignen Rhythmus, Takt und Soundmix haben. Das lässt den Film unruhig oder unausgeglichen wirken. Bei dieser Technik besteht auch die Gefahr, dass man sich als Regisseur an die Musik gewöhnt und sich nicht mehr auf die Vision des Komponisten einlassen kann. Oft ist mit vorgefertigter Musik die zweite Story-Ebene, die der Komponist spinnt, nur bedingt umsetzbar.
Sobald man die Musik aus einem solchen Rohschnitt entfernt, mögen die einzelnen Szenen für sich funktionieren, aber der Schnitt könnte ein rhythmisches und erzählerisches Durcheinander beinhalten.
Schliesslich legt der Komponist für jeden Film fest, in welchem Tempo und Takt der Score geschrieben wird, damit dieser optimal zum Atem des Films passt (selbstverständlich können auch Stücke in anderen Taktarten vom Komponisten eingeflochten werden).
Das Tempo und der Takt basieren auf dem Herzrhythmus sowie dem Atem. Der Zuschauer atmet im Rhythmus des Films. Wenn dieser Atem der Bilder nicht zum Rhythmus der Musik passt, dann fühlt sich der Film nicht stimmig an. Es sei denn, das ist gewollt, etwa in Action- und Horror-Filmen. In diesen Fällen möchte man den Puls soweit wie möglich steigern.
Es gibt aber durchaus Möglichkeiten, einen Film mit Musik zu schneiden. Das ist der Fall, wenn der Komponist einige Temp-Tracks (temporäre Musik) für den Rohschnitt komponiert. Basierend auf dem Rhythmus der Temp-Tracks wird der Film dann geschnitten – der Atem des Films wurde so durch den Komponisten festgelegt, selbstverständlich passend zum Filmstil. Sobald alle Temp-Tracks provisorisch eingesetzt wurden, kann der Komponist nachträglich die Szenen zusätzlich musikalisch anpassen und optimieren.
Wir verwenden diese Methode meistens für Dokumentarfilme. Bei einer guten Zusammenarbeit zwischen dem Cutter, dem Regisseur und dem Komponisten kann dies die Arbeit am Soundtrack enorm beschleunigen und erleichtern.
RAUM FÜR FILMMUSIK
UNSER TIPP
Es kann sinnvoll sein, den Komponisten in den Schnitt miteinzubeziehen. Die meisten Komponisten haben durch ihre langjährige Arbeit ein sehr gutes Rhythmusgefühl für Filmszenen. Beispielsweise wie lange eine Emotion dauern soll, damit sich die Musik entfalten kann und den Zuschauer optimal abholt. Oft ist man besorgt über die langen Szenen, die oft erst nachträglich mit der Musik eine starke Tiefe erzeugen und gleichzeitig dem Zuschauer Raum lassen, die gezeigten Emotionen zu verarbeiten.
HINWEIS
Dieser Text wurde von Raphael Sommer verfasst und beruht auf seinen Erfahrungen als Filmmusikkomponist. Die genannten Tipps und Beispiele dienen als Kurzeinführung und treffen nicht für jeden Film, jede Situation oder jeden Produktionsvorgang zu. Bei weitere Fragen können Sie sich jederzeit an uns wenden.